Newsletteranmeldung

Burgplatz 1, 2700 Wr. Neustadt, Österreich +43 664 4314132

Gedanken zur Situation und Gerechtigkeit

Wie gut sind wir auf Notfälle vorbereitet?

Zwei namhafte österreichische Verfassungsexperten erheben heute in Der Standard und Die Presse deutliche Bedenken dahingehend, dass die derzeitige Gesetzgebung in Österreich und bestimmte Maßnahmen der Österreichischen Bundesregierung mit unserer Bundesverfassung bzw. auch mit Bestimmungen einzelner EU-Rechtsmaterien nicht im Einklang stehen könnten.

Das veranlasst mich zur Frage, ob Österreich (aber wahrscheinlich auch andere Staaten) sich durch entsprechende Notfalls-Regeln in den jeweiligen Verfassungsgesetzen auf Situationen, wie wir sie derzeit erleben, vorbereitet hat (haben)?

Haben wir und vor allem unsere Politiker nicht beharrlich alles weggeschoben, was unserer Bequemlichkeit und unserer Gewinnsucht abträglich erschien? Haben wir nicht negiert, dass es auch existenzielle Bedrohungen geben kann? Haben wir nicht jenen nachgegeben, die dies alles „ist äußerst unwahrscheinlich“ und somit völlig weltfremd dargestellt haben? Wurden Mahner nicht sogar als „Panikmacher“ oder sogar „Kriegstreiber“ stigmatisiert?

Machen wir jetzt nicht hurtig damit weiter, indem wir vielleicht statt sachlicher Beweggründe politische und andere Motive unseren Handlungen zugrunde legen?

Zu dieser Annahme veranlassen mich einerseits eine Meldung in Der Standard unter dem Titel „Wenn der freiwillige Zivildienst die Lehrstelle kostet“ (Dienstag, 07. April, Seite 9) und der bevorstehende Einsatz von Milizsoldaten (ebendort).

Zum ersteren erhebt sich aus meiner Sicht die Frage, warum der betroffene Freiwillige nicht sofort aus wichtigen persönlichen Gründen (Verlust seiner Lehrstelle) vorzeitig aus dem freiwilligen Zivildienst wieder entlassen wurde? Unabhängig davon, dass man auch die offensichtlich bestehende Gesetzeslücke (Kündbarkeit während der Probezeit trotz Einberufung zum außerordentlichen Zivildienst) schließen müsste, um im Notfall nicht noch zusätzliche Notfälle zu produzieren. Wäre das nicht bürgernahe und lösungsorientierte Verwaltung und Gesetzgebung? Und überhaupt: Die Freiwilligen Zivildiener, die bisher schon als Freiwillige in den einzelnen Organisationen tätig waren erhöhen die personelle Stärke dort nicht. Nur Kosten wandern damit zum Bund. So lange der Zivildienst nicht wie der Wehrdienst organisiert wird und auch Zivildiener den gleichen gesetzlichen Regelungen (quasi als „Miliz“ für bestimmte Organisationen) unterliegen, ist das eine wirkliche Ungleichbehandlung – im Gegensatz zur jetzt von einzelnen verlängerten ordentlichen Zivildiener reklamierten. Unsere Rekruten und das BMLV schweigen dazu leider.

Zum zweiteren stellt sich mir die Frage, ob wir für die derzeitige Situation wirklich nur Manpower in Form von Jägerkompanien für den Einsatz an der Staatsgrenze und andere Hilfsaufgaben, oder ob wir nicht auch etwa mehr ABC-Abwehr-Spezialisten gut gebrauchen könnten?

Wir sind nicht in einem mit militärischen Mitteln geführten Konflikt. Sollten wir nicht (wieder einmal) beweisen, dass das Bundesheer in Wirklichkeit in jeder Krise unverzichtbar ist? Ja, wir haben eine Hauptaufgabe – den Kampf gegen militärisch agierende Kräfte. Durch die Befähigung zur Erfüllung dieser Hauptaufgabe sind wir aber auch befähigt, viele andere Aufgaben zu lösen. Das sollten wir deutlich und klar sowohl direkt betroffenen Österreicherinnen und Österreichern als auch den Medien vermitteln. Viel andere „schreien“ permanent und laut, drängen sich förmlich in die Medien – obwohl sie dafür wenig Anlass hätten. Unsere mediale Präsenz ist für mich berechtigt deutlich verbesserungswürdig.

Noch eine Frage drängt sich mir auf:
Wir hatten unlängst eine große „Jammerei“, dass die Gemeindevertretungen immer schwieriger personell zu besetzen seien. Immer weniger erklären sich bereit, als Bürgermeister tätig zu sein. Warum, so frage ich mich, hat dann vor kurzem die Parteichefin einer österreichischen Partei die Bürgermeister als „politische Funktionäre“ (offensichtlich im Sinne von Partei- oder Klientelvertreter) bezeichnet, anstatt deren Behördencharakter zu betonen? Bürgermeister sind in vielerlei Hinsicht Behörde. In dieser Funktion müssen sie neutral und sachlich aufgrund bestehender Gesetze handeln und dies auch verantworten. Auch im Gesundheitsbereich. Sie gerade in dieser Frage von notwendigen Informationen abzuschneiden halte ich weder für sachlich gerechtfertigt noch dem Ansehen dieser Funktion für förderlich. Da steckt ein für mich gefährlicher populistischer Trugschluss dahinter. Man kann in vielen Situationen nicht alles zentralistisch lösen. Und Misstrauen zwischen den einzelnen Behördenebenen ist für mich nicht akzeptabel. Das sollten Abgeordnete zum Österreichischen Nationalrat bedenken und den Umsetzern ihrer Beschlüsse auch das erforderliche Vertrauen zeigen.

Eine Frage der Gerechtigkeit:
In verschiedenen Medien wurde in den letzten Tagen auf die schlechte Bezahlung mancher "systemrelevanter Berufe" hingewiesen und eine gerechtere Entlohnung gefordert. Zu Recht, mene ich. Denn es kann nicht sein, dass man ungerecht entlohnt wird, wenn man für das Überleben seienr Mitbürgerinnen und Mitbürger eine wesentliche Bedeutung hat. Das gilt auch für die Soldatinnen und Soldaten des Bundesheeres und deren Führungskräfte! die Forderung der IGBO, die Offiziere endlich nach einem einheitlichen und ihrer Qualifikation entsprechendem Besoldungsschema zu bezahlen, gewinnt in der derzeitigen Situation besonderes Gewicht. Ich erwarte mir, dass spätestens nach der Krise eine Lösung dieser Frage durch das Ressort, die Gewerkschaft und Politik herbeigeführt wird.

Dr. Siegfried Albel, Obst i.R.
Präsident der IGBO

Siegfried Albel